Programa Sonrisas 2006



Das Sonrisas-Team 2oo6

02. – 18.Januar 2006

Unser diesjähriges Team um Dr. (PY) Juan Enrique Duerksen-Braun wurde zum zweiten Mal von Dr. Markus Winter begleitet und hat sich gemeinsam mit Dr. Oliver Wingenbach, Dr. Philipp Janssen, Schwester Daniela Ströh und Schwester Dorothee Köhler unter der Leitung von Dr. Uwe von Fritschen bei winterlichen Temperaturen auf den Weg gemacht.

Verstärkt wurden wir von den Kollegen Dr. Hector Garrido und Dr. Enrique Ojeda aus Paraguay. Philipp und Daniela haben routiniert und gut eingespielt an mehreren Tischen simultan die Narkosen durchgeführt. Dorothee merkte man Ihre langjährige Interplast-Erfahrung an, wenn Sie mit ihrer ruhigen und fleißigen Art an 3 Tischen gleichzeitig für einen stets lückenlosen Nachschub an Instrumenten und Material sorgte. Die Stimmung war trotz der hohen Arbeitsbelastung - wir haben fast jeden Tag bis kurz vor Mitternacht operiert- stets harmonisch und freundschaftlich.
Versorgt wurde wieder eine große Anzahl von Lippen-Kiefer-Gaumenspalten. Erstmals auch mehrere motorischen Ersatzoperationen an der oberen Extremität und Rekonstruktionen nach Facialisparese. Korrekturen von Klumpfüßen und ausgedehnter Verbrennungsnarben sowie einige Tumore füllten das restliche Programm.

Alles begann vor fünf Jahren als ein in großer Eile organisierter Routineeinsatz. Inzwischen hat unsere Klinik zum 6. Mal ein Team nach Paraguay geschickt und bei jedem Aufenthalt wird deutlicher, dass sich hieraus weit mehr entwickelt hat als zunächst erwartet werden konnte.
Paraguay ist ein kleines, vergessenes Land mit etwas über 6 Mio. Einwohnern zwischen den Riesen Brasilien und Argentinien. Es verfügt über keine nennenswerten Rohstoffe und lediglich die landwirtschaftlichen Exporte haben einer dünnen Bevölkerungsschicht zu bescheidenem Wohlstand verholfen. Knapp 40% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze, im Hinterland sind es weit mehr.

Die medizinische Versorgung in den wenigen größeren Städten ist für die, die es sich leisten können, vergleichsweise gut. 2001 hatte unser Kollege Dr. (PY) Juan Enrique Duerksen-Braun mit seiner in Paraguay ansässigen Familie und den mennonitischen Kolonien den ersten Einsatz vorbereitet. In 2 kleinen Krankenhäusern fernab der Hauptstadt, das eine nur mit der Chessna zu erreichen, wurden die ersten Patienten versorgt, die durch die mennonitischen Kolonien mühsam zusammengesucht worden waren.

Obwohl für unsere Begriffe erfolgreich, zeigte der Einsatz aber auch die immanenten Probleme von Kurzeinsätzen. Hilfsorganisationen haben keinen guten Namen auf einem Kontinent, der zunächst durch Kolonialmächte, später durch westliche Großmächte als Spielball ihrer Interessen missbraucht wurde. Von offiziell politischer Seite war somit keinerlei Unterstützung zu erwarten. Aber auch die ansässigen Kollegen begegneten uns mit großem Misstrauen und Ablehnung. Dank der familiären Beziehungen, der Unterstützung und den logistischen Möglichkeiten der Kolonien gelang es schließlich, die ersten Einsätze zu ermöglichen. Die Arbeit vor Ort ließ aber schnell erkennen, dass für eine wirklich sinnvolle Hilfe ein umfassenderes Vorgehen erforderlich sein würde. Besonders die Kinder mit Spaltfehlbildungen können nicht in einem Schritt therapiert werden. Zusätzlich ist für ein akzeptables Resultat die interdisziplinäre Betreuung durch Kieferorthopädie, Phonaudiologie und Logopädie unbedingt erforderlich. Auch viele Verbrennungen bedürfen eines mehrzeitigen Behandlungskonzeptes, teilweise mit Expanderbehandlungen. Wir sind auch nicht bereit, eine schlechtere Versorgungsqualität als bei uns zu akzeptieren. Deshalb ist eine geplante Nachsorge und Qualitätskontrolle erforderlich.

Damit wurde klar, dass sich die Hilfseinsätze zu einem Programm entwickeln mussten. Ohne feste, lokale Strukturen und vor allem aber Kollegen vor Ort, die in die Behandlung einbezogen sind, war dies unmöglich. Eine große Hilfe hierbei waren die Brüder von Dr. (PY) Juan Enrique Duerksen-Braun, die selber bereits eindrucksvolle Hilfsprojekte aufgebaut haben. Zentral gelegen, errichteten Sie mit Spendengeldern ein schönes Krankenhaus mit einer gut funktionierenden Infrastruktur. sHier werden seit der Fertigstellung im letzten Jahr eine große Zahl an Augenoperationen durchgeführt. Nachdem in den Jahren zuvor in den kleinen Krankenstationen der Kolonien operiert wurde, konnten wir nun das erste Mal den „Luxus“ dieses Hauses mitnutzen.

Wie schon in den Jahren zuvor wurden wir wieder von einem plastisch-chirurgischen Kollegen aus Paraguay begleitet. Eine Sozialarbeiterin kümmerte sich um die Nöte der Ärmsten und Mitarbeiter aus den Kolonien besorgten die täglichen Transporte zur Klinik. Die kieferorthopädische Betreuung hatte in der Zwischenzeit ein Bruder Enriques übernommen.
Obwohl es in Südamerika zahlreiche exzellente Operateure gibt ist es schwer, eine fundierte Aus- und Weiterbildung zu erhalten. Wir bemühen uns daher sehr, die Kollegen bei den Einsätzen aktiv einzubeziehen und soweit zu unterstützen, dass sie die gängigen Eingriffe in Zukunft selbstständig durchführen können. Im letzten Jahr war es möglich, einen Kollegen für 3 Monate nach Deutschland einzuladen.

Natürlich fahren wir seither mit einem viel besseren Gefühl nach Hause, da die Nachsorge unserer Patienten und die Behandlung eventueller Komplikationen in guten Händen ist.
Auch die Beziehung zu den ortsansässigen Kollegen hat sich grundlegend gewandelt. Zum einen wurde mittlerweile klar, dass uns nicht an einem kurzfristigen, medienwirksam inszenierten Auftritt gelegen ist, der die Kompetenz der lokalen Ärzte in Frage stellt und eine große Anzahl von Komplikationen hinterlässt. Zum anderen wurde deutlich, dass wir uns keineswegs als fachliche und wirtschaftliche Konkurrenz verstehen. Den Patienten, die schließlich zögerlich geschickt wurden, konnte unkompliziert und mit hoher Qualität geholfen werden.

Eventuell auftretende Komplikationen wurden sie durch unsere Team-Kollegen vor Ort behandelt oder wir haben uns unaufgefordert bei dem nächsten Aufenthalt darum gekümmert. Auch der respektvolle Umgang mit den Folgen nicht immer idealer Therapiekonzepte, hat inzwischen Früchte getragen. Die Kollegen haben uns zum ersten Mal bei einer Komplikation um Hilfe gebeten: Bei einer jungen Frau war nach subtotaler Resektion der Mandibula eine Beckenspantransplantation fehlgeschlagen und es konnte ihr mit den verfügbaren Mitteln nicht mehr geholfen werden. Wir haben gemeinsam mit den Voroperateuren der Universitätsklinik eine mikrochirurgische Fibularekonstruktion durchgeführt - die Erleichterung war den Kollegen anzumerken. Der positive Effekt ebenfalls. Ein unfallchirurgischer Kollege brachte während unseres Aufenthaltes 8 kleine Patienten mit Klumpfußdeformitäten vorbei und hat sie gemeinsam mit uns operiert; niedergelassene Kollegen haben sich angeboten, sich das nächste Mal nach geeigneten Patienten umzusehen. Auch die Schwestern vor Ort, die während der kurzen Einsätze natürlich eine enorme Mehrarbeit haben, arbeiten engagiert mit und identifizieren sich mittlerweile mit „ihrem“ Projekt.

Das Spektrum der Operationen, das zeigte sich deutlich, hat sich gewandelt. Haben wir am Anfang noch viele kleinere, ambulante Eingriffe durchgeführt, lag der Schwerpunkt diesmal fast ausschließlich bei größeren Operationen. Viele der überschaubaren Probleme können die Team-Kollegen mittlerweile vor Ort alleine lösen. Wir hoffen, dass wir uns in einigen Jahren zunehmend zurückziehen können und nur noch für komplexe Probleme Hilfe erforderlich sein wird.
Trotz der Erfolge, die sich nun langsam einstellen bleibt viel zu tun. Die finanziellen Mittel für die Finanzierung der Fachkräfte vor Ort (Logopäde, Sozialarbeiter, Chirurg) müssen längerfristig gesichert werden. Besonders für die LKG-Patienten muss eine kontinuierliche Nachbetreuung organisiert werden.

Natürlich ist es für alle Beteiligten eine Freude und Befriedigung, den einfachen und netten Menschen dieses Landes helfen zu können. Dennoch, von der großen Zahl der Patienten bleiben nur wenige im Gedächtnis. Es sind inzwischen eher die Erlebnisse am Rande, die in Erinnerung bleiben - zum Beispiel der Patient, weit aus dem Hinterland mit seinem Glas voll kleiner Münzen der stolz berichtete, wie seine Dorfgemeinschaft „jede Menge Geld“ zusammengelegt hat, um ihm die Versorgung seiner Lippenspalte endlich zu ermöglichen. Jeder der 50 Bewohner (das wurde betont!) hatte sich einige Pfennige abgespart und so kam das Geld für die Busfahrt zusammen.

Zum Abschied nahm uns noch der Hotelbesitzer beiseite und bedankte sich bei uns. Bedankte sich, dass wir die Leute hier und das Land nicht vergessen.

(Quelle: Interplast-Germany e.V.| Uwe von Fritschen)


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